Martin Kranz will das alte Heizwerk zu einem besonderen Kultur- und Kreativstandort mitten in Erfurt machen – Entscheidung fällt in diesem Herbst.
Achava heißt auch das Festival, das im September zum zweiten Mal nach Erfurter kommt. Internationalen Künstler vor allem auch ausIsrael und den umliegenden Regionen werden erwartet. Zudem wird es hochrangige Gesprächsrunden geben, bei denen sich Menschen austauschen, die ganz unterschiedliche Positionen vertreten, wenn es um Politik, Religion und Gesellschaft geht. Zum Achava gehört fürMartin Kranz immer auch diese Friedensvision.Sommer 2016: Noch ist das Heizwerk vor allem ein Ort, in den viel Geld gesteckt werden muss, damit die Pläne Wirklichkeit werden. Doch es scheint so, als hätten viele nur darauf gewartet, dass einer wieMartin Kranz kommt und diesen besonderen Ort wachküsst. Zehn Millionen Euro werden – Pi mal Daumen – nötig sein, um das zu schaffen. Wichtig ist dabei die Städtebauförderung.Das Gebäude ist im Eigentum der Landesentwicklungsgesellschaft LEG. Kranz will das Achava betreiben, ist an einem langfristigen Vertrag interessiert – will “Verantwortung für dieses Gebäude übernehmen”, sagt er der TLZ. Ende 2016 soll das Finanzierungskonzept stehen. 2017 ein internationaler Architektenwettbewerb stattfinden, 2018 und 2019 gebaut werden, damit alles bis zum Beginn des dann 5. Achava-Festivals im August 2019 fertig ist.
“Achava” als Herzstück im Brühl
“Wir wollen langfristig dieses Gebäude und vor allem den Konzertsaal mit den anliegenden Foyerflächen nutzbar machen”, sagt Kranz im TLZ-Gespräch. Ein Ort für Konzerte, Festivals, Theaterproduktionen, Tagungen, Festivitäten aller Art… Mit den angrenzenden Nutzflächen hat Kranz ebenfalls einiges vor: Es soll Raum geschaffen werden für Büros etwa im Bereich der Kreativwirtschaft. Internationale Gastronomie und eine internationale Markthalle runden das Angebot im angesagten Erfurter StadtviertelBrühl ab. Auch an hängende Gärten ist gedacht, ein Brückenschlag zumPetersberg. Kranz bringt große Erfahrung ausWeimar mit, wo er mit demKöstritzer Spiegelzelt seit vielen Jahren ein privat finanziertes Festival zu großem Erfolg geführt hat. Mit Blick auf das alte Heizhaus inErfurt sagt er: “Wir möchten gerne das Angebot an die Anwohner machen, das Achava für sich zu entdecken und es zu einem Ort der Begegnung zu machen – und zwar langfristig.”
Die Erfurter CDU-Kreisvorsitzende und frühere MinisterinMarion Walsmann unterstützt den Plan, das Heizwerk zu einem kulturellen und gastronomischen Zentrum zu entwickeln. In dem “mutigen Projekt”, wie sie sagt, sieht sie zugleich die Chance, die Bundesgartenschau (Buga) 2021 inErfurt mit einer Attraktion zu bereichern. Ausdrücklich begrüßt sie die in dem Anbau geplante Markthalle. Über das Heizwerk-Gelände lasse sich derPetersberg, einer derBuga-Höhepunkte, über einen weiteren Zugang erschließen. Dieser Zugang solle nicht nur über den Hang erfolgen: Walsmann regt eine Fußgängerbrücke vom Heizwerkdach zumPetersberg an. Das historische Vorbild liefert eine Transportbrücke für die Kohleloren, die zu den Betriebszeiten des Heizwerks bestand. Den Bau der Brücke solle die StadtErfurt übernehmen, die dabei auf Städtebaufördermittel zurückgreifen könnte.Für dasBuga-Jahr könne im Heizwerk zudem ein Besucherzentrum eingerichtet werden, meint Walsmann. Das Gebäude biete sogar eine Alternative für dieBuga-Ausstellungen — “falls derPetersberg nicht rechtzeitig fertig wird”.Jochen Sandner, der Geschäftsführer der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft (DBG) inBonn, sagt auf TLZ-Anfrage: “Ich kann für mich und damit für die DBG einräumen, dass mich das gesamte Achava-Festival-Projekt mit samt seinen Akteuren und die Kulisse des alten Heizwerkes bei der besagten Ortsbesichtigung inErfurt sehr beeindruckt haben. Im Nachgang habe ich der Geschäftsführerin derBuga GmbH inErfurt, Frau Weiß, die an diesem Termin nicht teilnehmen konnte, von diesen Eindrücken berichtet und empfohlen, sich in gleicher Weise über die Projektideen und die angedachten Kooperationsansätze informieren zu lassen. Im Ergebnis dessen wird dieBugaErfurt 2021 GmbH zu entsprechenden Schlussfolgerungen für die gegebenenfalls weiteren Schritte kommen.”Das Projekt “Das Achava” hat sich beim Projektaufruf “Arrival StadtLand” als IBA Kandidat beworben. Ziel des Projektaufrufs ist es, experimentelle Modellvorhaben für ein zuwanderungsfreundliches und weltoffenesThüringen zu entwickeln. Dabei sollen insbesondere leerstehende Gebäudestrukturen wieder in Nutzung gebracht werden, erläutertGabriela Oroz, bei der IBA für die Presse zuständig. “Thüringenweit sind 24 Bewerbungen zum Projektaufruf eingegangen. Derzeit werden die Anträge vorgeprüft und teilweise vor Ort besucht. Ende September wird sich der IBA Fachbeirat mit den Anträgen befassen. Bis zu fünf Bewerbungen könnten daraufhin als IBA Kandidat nominiert werden. Diese sollen dann in der Folge in enger Zusammenarbeit mit der IBAThüringen weiter qualifiziert werden, erläutertOroz.Im Falle eines positiven Votums aus dem Fachbeirat Ende September für “das Achava” würde sich die IBAThüringen in der weiteren Entwicklung und Qualifizierung des Projekts zu einem IBA Modellvorhaben engagieren. “Vermutlich wäre hierfür ein internationaler Realisierungswettbewerb ein geeignetes Format”, soOroz.
LEG: Langfristige Nutzung erwünscht
Martin Kranz, seit Kindertagen in Weimar zuhause und nach Studienjahren in München nach Thüringen zurückgekehrt, hat das Heizwerk erstmals 1999 als einen besonderen Ort wahrgenommen. “Da gab es ein kleines Heizwerk-Festival mit Christoph Drescher. Da wurde das Gebäude gerade entkernt”, erinnert sich Kranz. “Es ist ein faszinierender Ort. Aber das Heizwerk ist über lange Zeit in Vergessenheit geraten.” Dann 2015: Achava kommt nach Erfurt. “Unsere Künstler waren begeistert von diesem Haus. Das Publikum auch. Daraus entstand die langfristige Nutzungsidee.” “Das Achava” soll nicht einfach noch ein Veranstaltungs- und Tagungsraum sein. “Es soll eine Begegnungsstätte werden, ein Ort, an dem nachgedacht wird: Wie gehen wir miteinander um? Was macht Gesellschaft? Und wir wollen über den Frieden reden”, sagt er – und verweist auf den Petersberg, den Friedensberg von Erfurt, zu dem es einen Brückenschlag geben könnte, wenn die Idee von Marion Walsmann greift. Vor 1918 wurden, wie Kranz sagt, rund um das Heizwerk von 10.000 Menschen Gewehre hergestellt. Ein Ort der Rüstungsindustrie bald als Ort der Brüderlichkeit? “Dieses Revier neu zu denken und zu definieren im Heizwerk ist faszinierend. Es gab auch schon ein Gespräch mit der Stadt, eventuell eine Ausstellung zu machen, die diese Geschichte aufarbeitet.” Die LEG spricht davon, dass sich das ganze Vorhaben “in einem frühen Stadium” befinde. “Wir haben noch keine Entscheidung getroffen, auch keine Vorentscheidung”, aber dass Kranz ein Konzept erstelle, “das begleiten wir positiv, so Holger Wiemers, Pressesprecher der LEG. “Die langfristige Nutzung des Heizwerks liegt uns am Herzen.” Demnächst trifft sich Martin Kranz mit Guy Montavon. Der Weimarer will dem Generalintendanten der Oper nebenan nicht nur gute Nachbarschaft anbieten – sondern auch anregen, hin und wieder “das Achava” zu nutzen.